Man arbeitet jahrelang zusammen, man vertraut sich. Viele Probleme konnten bereits gemeinsam gelöst werden. Die Prozesse sind eingespielt. Unsere Mitarbeiter sind Experten.
Alles könnte so schön sein.
Wäre da nicht … ⚡VERÄNDERUNG! ⚡
Wir wissen, Veränderung ist die einzige Konstante.
Menschen sind selten bereit, ohne äußere Motive, größere Veränderungen mitzumachen. Wir halten uns am Status quo fest. Insbesondere, wenn wir uns einen kleinen, aber feinen Arbeitsbereich abgesteckt und über Jahre erfolgreich bewirtschaftet haben.
Expertenwissen ist Fluch und Segen für Unternehmen
Expertise erleichtert unsere Prozesse, lässt uns auf kleinere Probleme entspannt reagieren.
Was aber, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern?
Beispielsweise, wenn tiefgreifende Marktveränderungen uns zum Umdenken zwingen? Oder wenn, plötzlich und unerwartet, Mitarbeiter in Rente gehen.
Oder den Arbeitgeber wechseln.
In vielen Unternehmen fällt mehr aus als der Mitarbeiter. Plötzlich hakt es, es gibt viel mehr Diskussionen und Fehler im Prozess.
Wo vorher noch Expertise zu Effizienzgewinnen führte, herrscht jetzt recht häufig Ratlosigkeit und Trial-and-Error.
Als Unternehmer stehen wir vor einem Dilemma. Wollen wir einen stabilen Betrieb gewährleisten, oder die maximale Effizienz unserer Prozesse?
Wenn Expertise zur Last wird
Für viele Mitarbeiter ist das Ansichreißen von Aufgaben eine willkommene Möglichkeit, den eigenen Arbeitsplatz sicherer zu machen. Bei anderen entwickelt sich die Zentralisierung auf die eigene Person schleichend.
Allen gemein ist, dass es irgendwann zur Belastung wird, der alleinige Wissensträger zu sein.
Kollegen haben ständig Fragen, die eigene Auslastung ist ohnehin recht hoch und oft erscheint es besser, ein Problem “mal eben schnell” selbst zu lösen, als lang die Zusammenhänge zu erklären. Nur macht man es sich damit eben nicht leichter. Im Gegenteil.
Ich konnte schon oft erleben, dass Kollegen irgendwann resigniert und sich andere Schwerpunkte gesucht haben, statt ein weiterer Wissensträger zu werden.
Neben der Arbeitsbelastung plagt die Experten häufig auch das Wissen darüber, dass sie der Engpass sind. Das Bewusstsein, dass alles an ihnen zu hängen scheint.
Ich habe mehrere Kollegen in den Burn-out gehen gesehen.
“Aber wir haben doch Dokumentation”
Hand aufs Herz, das, was in manchen Unternehmen als Dokumentation bezeichnet wird, ist den Speicherplatz nicht wert, auf dem es gesichert ist.
Dokumentation muss anwendbar sein. Häufig ist die Dokumentation nicht vollständig, und für den Experten selbst geschrieben. Insbesondere wenn Softwaresysteme jahrelang gewachsen sind, wird nicht alles Relevante dokumentiert.
Kurzum, die vorhandene Dokumentation ist häufig nicht ausreichend, um allein damit weiterzuarbeiten.
Hoheitswissen vorbeugen
Mitarbeiter werden Experten in ihrem Tätigkeitsbereich, wenn sie lange genug die gleichen Probleme lösen. Das wollen wir auch nicht komplett verhindern.
Viele Unternehmen sind aber nur einen Autounfall davon entfernt, schweren Schaden zu nehmen.
Damit es nicht so weit kommt, sollten Manager gezielt darauf achten, dass einzelne Mitarbeiter nicht zu viel ungeteiltes Wissen anhäufen. Sprich, nicht alleinige Verantwortliche für bestimmte Themen sind.
- Ein guter Start ist das eigene Bauchgefühl, und das des Teams. Man kennt seine Experten bereits. Die betreffenden Wissensträger wissen das oft auch selbst.
- Wer es analytischer mag, sollte die geschäftskritischen Prozesse und Systeme betrachten. Wer ist besonders oft involviert? Lässt sich ein Muster ableiten?
Sind die betroffenen Prozesse / Systeme und Personen identifiziert, gilt es dem Wissenstransfer eine Priorität zu geben.
Häufig geht das nur durch klare Ansage des Entscheiders, denn der Wissenstransfer konkurriert nicht nur mit dem Tagesgeschäft, sondern Kundenanforderungen.
Mitarbeiter brauchen die (mentale) Rückendeckung, dass es wichtig ist diese Risiken zu senken.
Und ein Wissenstransfer benötigt Zeit. Je nach individueller Situation muss der Entscheider also vorgeben, wie schnell und aufwendig ein Wissenstransfer sein soll.
Betrifft uns doch nicht!
Sicher?
Sobald deine Organisation für einige Zeit besteht, bilden sich kritische Wissensträger heraus. Das kann man überall, wo Menschen zusammenarbeiten, beobachten.
Anzunehmen, man sei frei von den Risiken, ist eine Fehleinschätzung.
Außer, man ist schon ein paar Schritte weiter. Wenn ihr bereits eure Experten geklärt habt, und einen Prozess etablieren konntet, um den Aufbau von Hoheitswissensträgern zu erkennen, dann betrifft es euch nicht. Zumindest für jetzt.